Anschubhilfe für komplexes Leben? Erdmagnetfeld im Ediacarium schwach wie nie

Vor etwa 550 Millionen Jahren sind komplexe Lebewesen auf der Erde aufgetaucht. Ursächlich könnte ein besonders schwaches Magnetfeld gewesen sein.

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Urzeitlicher Ozean mit fremdartigen Lebewesen im Wasser und starken Nordlichtern

Künstlerische Darstellung der Ediacara-Fauna

(Bild: University of Rochester/Michael Osadciw)

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Das Auftreten und die Diversifizierung von vielzelligen Lebewesen auf der Erde ist offenbar tatsächlich mit dem schwächsten Magnetfeld der Erdgeschichte zusammengefallen, was einen direkten Zusammenhang nahelegt. Das hat eine internationale Forschungsgruppe ermittelt, wie die Universität Rochester im US-Bundesstaat New York jetzt mitteilt. Demnach legen umfangreiche Analysen bestimmter uralter Silikatgesteine nahe, dass das Magnetfeld unseres Heimatplaneten während des sogenannten Ediacariums vor ungefähr 600 Millionen Jahren für einen Zeitraum von mehreren dutzend Millionen Jahren bis zu 30 Mal schwächer war als heute. Das könnte zur Anreicherung der Atmosphäre mit Sauerstoff beigetragen und damit die Entwicklung fortschrittlicher Lebewesen erst ermöglicht haben.

Wie die Universität zusammenfasst, sind im Ediacarium enorm vielfältige vielzellige Lebewesen auf der Erde aufgetaucht. Bekannt ist dabei vor allem die sogenannte Ediacara-Fauna, mit bis zu einem Meter langen Exemplaren, die teilweise sogar mobil gewesen sein könnten. Deshalb habe man schon länger vermutet, dass sie mehr Sauerstoff gebraucht haben. Als Ursache für deren Auftauchen seien aber auch genetische Faktoren und günstige Umweltbedingungen vorgeschlagen worden. Die Analyse von Silikatkristallen mit modernsten Werkzeugen habe nun aber einen direkten zeitlichen Zusammenhang zu einem besonders schwachen Erdmagnetfeld offengelegt.

Ein derart abgeschwächtes Erdmagnetfeld könnte es geladenen Sonnenteilchen ermöglicht haben, Wasserstoff aus Atomen zu schlagen, fasst die Universität die Hypothese zusammen. Die Wasserstoffteilchen könnten dann aus der Atmosphäre entwichen sein, was dazu geführt haben dürfte, dass sich übrig gebliebener Sauerstoff dort angereichert hat. Diese Zunahme von Sauerstoff in der Atmosphäre und im Wasser wäre demnach die Grundlage für die Entstehung vielzelliger Lebewesen. Gleichzeitig schreibt die Forschungsgruppe aber auch, dass die sich anschließende Stärkung des Magnetfelds das entstandene Leben wohl beschützt habe. Andernfalls hätte unsere Heimat das viele Wasser auf ihrer Oberfläche wohl nicht halten können, die Erde wäre ausgetrocknet.

Es sei faszinierend, darüber nachzudenken, wie Prozesse im Erdinneren mit der Entstehung und Entwicklung des Lebens zusammenhängen, ordnet der Physiker John Tarduno die Bedeutung der Studie ein. Erst vor wenigen Tagen hat eine andere Forschungsgruppe publik gemacht, dass das Erdmagnetfeld wohl älter ist als bislang gedacht. Auch das hat eine Verbindung zur Entstehung des Lebens nahegelegt. Beide Arbeiten machen deutlich, von wie vielen Faktoren die Evolution auf der Erde wohl abhängig war und ist. Das hat auch Folgen für die Suche nach außerirdischem Leben, meint Tarduno. Bei der Suche müssten Prozesse im Inneren von Exoplaneten einbezogen werden. Die Studie ist im Fachmagazin Nature Communications Earth & Environment erschienen.

(mho)